Donnerstag, 20. Januar 2022

Die unausrottbare 1858

Der Schießplatz auf der Dornhalde wurde im Herbst 1869 gebaut. Noch immer geistert das falsche Baujahr 1858 durch das Netz und durch Bücher.

Bogen: Stuttgart für Fortgeschrittene. Meßkirch 2020, S. 204

Das jüngstes Beispiel ist das sehr schöne Buch von Uwe Bogen "Stuttgart für Fortgeschrittene" aus dem Jahr 2020. In der 2. Auflage wird das geändert. (1)

Wo kommt das Gründungsjahr 1858 eigentlich her?

Zugegeben, das ist eine ausgesprochen unwichtige Frage. Heutzutage denkt man bei solchen Fehlern gerne an Wikipedia. Dank ihrer leichten Zugänglichkeit und ihres hohen Ansehens ist die freie Enzyklopädie immer in der Gefahr als Fehlerschleuder zu wirken. In diesem Fall aber nicht.

Wikipedia ist unschuldig

Auf der Seite Garnisonsschützenhaus befand sich das falsche Gründungsjahr 1858 nur 4 Wochen, nämlich von der Anlage der Seite durch Gerd Leibrock am 13. April 2014 bis zum 10. Mai 2014. Das richtige Jahr 1869 wurde am 21. Mai 2014 eingetragen. Zugleich wurde auch eine Fußnote eingefügt, die auf die Quelle der kurzzeitigen fehlerhaften Angabe hinweist.

FN 11 [...] "Die Angabe, dass der Schießplatz seit 1858 besteht (#Buck 2005), trifft daher nicht zu." [Ein Lob an die Versionsgeschichte!]

Buck und Schukraft

Leibrock hat als Quelle für das falsche Jahr 1858 "Dieter Buck; Harald Schukraft: Stuttgarter Grenz-Wanderungen. Stadtgeschichtliche Entdeckungstouren. 2. Auflage. Tübingen 2005, Seite 58" angegeben. 

Woher Harald Schukraft seine falsche Information hatte, ließ sich leider nicht ermitteln. Vielleicht vom Denkmalamt?

Landesdenkmalamt 1986

Frau Steudle vom "Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart" hat mir am 24. Juni 2021 mitgeteilt, dass "in amtsinternen Unterlagen" zur Denkmalbegründung 1986 angegeben wird, 

"dass die militärische Nutzung des Areals um 1858 beginnt und 1869 die Schießbahnen angelegt wurden."

Herr Dr. Kirch ebenfalls "Landesamt für Denkmalpflege" ergänzte am 11. Januar 2022, dass damals "in der Literatur zuweilen das Jahr 1858 diskutiert" wurde. Leider kenne ich diese Quellen nicht.

Wie das falsche Jahr 1858 aus internen Denkmal-Unterlagen in Bücher und ins Internet kommt, ist allerdings nicht klar.  

Übrigens: Die Bezeichnung "Garnisonsschützenhaus" ist auch eine neuere Erfindung. Dazu später mehr.

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(1) Für einen Stuttgart-Führer sind diese Details nicht wichtig. Hier natürlich schon. Zunächst waren es nur fünf Bahnen. Erst 1879 neun mit Bahnen von 400 bis 600 m. Ewald Huth wurde nicht öffentlich vor dem NS-Regime gewarnt, er wurde denunziert.


Montag, 10. Januar 2022

Denunzianten von Ewald Huth

Ewald Huth.
Foto: Familie Huth
Ewald Huth wurde am 26. Mai 1944 zum Tode verurteilt, wegen Zersetzung der Wehrkraft
Verraten wurde er von zwei Denunzianten: der Nachbarin Pauline F. in Villingen und dem Fahnenjunker-Feldwebel Helmuth Köhntopp.
Grundlage dafür war die Verordnung über das "Sonderstrafrecht im Kriege und bei besonderem Einsatz", die Kriegssonderstrafrechtsverordnung" (KSStVO). Die Verordnung ergänzte und verschärfte das Militärstrafgesetzbuch. Sie wurde vorausschauenderweise bereits im Sommer 1938 erlassen.

Die "Anklageverfügung und der Haftbefehl" vom 17. März 1944 des SS- und Polizeigerichts XI bezogen sich auf den § 5 zur "Zersetzung der Wehrkraft" [1] in dieser Verordnung.
Huth war zuvor als Rottwachtmeister zum Gendarmeriekreisposten Villingen eingezogen worden. Im 1. Weltkrieg war er wegen seiner schlechten Augen nicht kriegstauglich, jetzt mit über 50 Jahren waren die Augen kein Hindernis mehr.
Er wurde nur deshalb eingezogen, damit er dem SS- und Polizeigericht von Himmler unterstand.