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Montag, 7. März 2022

Stolperstein für Ewald Huth

Am 6. März 2022 wurde in Villingen vor dem Münsterplatz 8 ein Stolperstein für Ewald Huth verlegt. Er war von 1921 bis 1944 Chordirektor in Villingen und wohnte mit seiner Familie im Kaplaneihaus.

1943 wurde er von zwei Denunzianten, dem Fahnenjunker-Feldwebel Helmut Kö und der Nachbarin Pauline F. als NS-Gegner denunziert. In beiden Fällen hatte Ewald Huth in privaten Gesprächen seine Meinung über das NS-System nicht zurückhalten können.

Vor der Anklage wurde er als Gendarm eingezogen und unterstand damit dem SS- und Militärgericht XI in Stuttgart. Dort wurde er wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und am 1. November 1944 auf dem Maschinengewehrstand auf dem Schießplatz Dornhalde erschossen.


Das Wetter kam der Veranstaltung entgegen, kalt aber sonnig und auf dem großen Münsterplatz konnten sich die etwa 70 Besucher auch mit Corona-üblichen Abstand verteilen. Der Münsterchor begleitete unter der Leitung des Münsterkantor Roman Laub, einem Amtsnachfolger von Ewald Huth, die Verlegung. 



Die Familie

Über keines der Hinrichtungsopfer auf der Dornhalde ist so viel bekannt wie über Ewald Huth. Dafür ist in erster Linie die Familie Huth verantwortlich. Sie setzen sich schon ab 1946 um die Aufhebung des Urteils ein und sorgten später für die Umbettung vom Friedhof Steinhalden in Stuttgart nach Villingen. Das Engagement geht bis heute weiter. Leider konnte wegen Corona-Infektionen ein Teil der Familie an der Verlegung nicht teilnehmen.  

Tobias Dahmen, Bertram Maurer,
Enkelin von Ewald Huth mit Tochter und Lebensgefährtin

Tobias Dahmen ist ein bekannter Autor von Graphic Novels, z. B. Fahrradmod. Er arbeitet zur Zeit an einem Projekt, bei dem auch Ewald Huth eine Rolle spielt. Er war zur Verlegung extra aus Utrecht angereist.

Die Verlegung

Gunter Demnig verlegte an diesem Sonntag insgesamt 22 Stolpersteine in Villingen und Schwenningen. 

Ein seltener Anblick ergab sich auf dem Münsterplatz. Normalerweise wird das Loch im Pflaster für den Stein vorbereitet. Für den Stein für Ewald Huth musste Gunter Demnig das Loch selbst graben. Der Bautrupp der Stadt Villingen kam erst nach der Verlegung und stellte ein Schild auf.





Zweimalige Ablehnung durch den VS-Gemeinderat

Die Stadt Villingen-Schwenningen hat viele Jahre lang Stolpersteine als Form der Erinnerung an Nazi-Opfer grundsätzlich abgelehnt. Der Gemeinderat der Stadt hat jeweils 2004 und 2013 mit seiner Verweigerung überregionale Aufmerksamkeit erregt. [1] 

Erst im Januar 2020 hat der Gemeinderat Villingen-Schwenningen seine grundsätzliche Ablehnung von Stolpersteinen überwunden. Vor der Abstimmung hatte der Verein Pro Stolpersteine nochmals eine Mahnwache organisiert. [2] 

Am 20. Oktober 2021 wurden endlich die ersten 18 Stolpersteine verlegt. [3]

Der Stolperstein für Ewald Huth kommt zwar auch spät, aber nach ihm wurde bereits 1972 eine Straße nach ihm benannt und 2001 an seiner ehemaligen Wohnung eine Gedenktafel angebracht.


Quellen:

[1] kontext:wochenzeitung vom 04.02.2015

[2] Schwarzwälder Bote vom 27.01.2020

[3] Südkurier vom 20.10.2020

https://pro-stolpersteine-vs.de

https://pro-stolpersteine-vs.de/presse/ Eine umfangreiche Liste von Links auf Presseartikel, allerdings sind viele hinter einer pay-wall.

Colli. Kroneisen [2003] August Kroneisen, Hermann Colli: Ewald Huth: Mutiger Mann und aufrechter Christ. Villinger Widerstandskämpfer. Von den Nazis hingerichtet. In: Geschichts- und Heimatverein Villingen e.V. 26 (2003), S. 65-71

Urteil des SS- und Polizeigerichts XI im Besitz der Familie Huth

Fotos Christine Lehmann und Bertram Maurer




Sonntag, 6. Februar 2022

Todesurteil(e) in der Wannenstraße 16

Wannenstraße 16

Vor der Villa in der Wannenstraße 16 in Stuttgart-Süd befinden sich zwei Stolpersteine für die ehemaligen Besitzer Helene und Dr. Robert Mainzer. Robert Mainzer war Rechtsanwalt und Notar.

Die Familie Mainzer wurde am 22. August 1942 von Stuttgart aus ins KZ Theresienstadt deportiert und dort ermordet. 

Im Adressbuch der Stadt Stuttgart ist noch 1943 R. Mainzer als Besitzer angegeben mit der Adresse des "Judenhauses" in der Eberhardstraße 1.

Tatsächlich hatte die Gestapo das Gebäude am 21. August 1942 konfisziert. Eigentümer war bis zum Kriegsende das Deutsche Reich "vertreten durch Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler."



Todesurteile

Aus verschiedenen Militärgerichtsakten aus der NS-Zeit geht hervor, dass in diesem Gebäude das SS- und Polizei-Gericht XI tagte. In mindestens zwei Fällen wurde in der Wannenstraße 16 ein Todesurteil gesprochen. Ewald Huth wurde dort am 26. Mai 1944 zum Tode verurteilt und am 1. November 1944 auf der Dornhalde erschossen.

Eigentlich hatte das SS- und Polizei-Gericht XI als Sitz die Etzelstraße 7, so steht es auch im Adressbuch ab 1941. Im Übrigen war die Etzelstraße 7 Sitz verschiedener SS-Organisationen.

Über die sonstige Nutzung des Gebäudes kenne ich bisher nur Gerüchte. Für weitere Informationen wäre ich dankbar. 

Nachtrag vom 08.02.2022

Nach dem Krieg ging das Gebäude aus dem Besitz des Deutschen Reichs in den Besitz der Bundesrepublik über. In den Wiedergutmachungsverfahren Ende der 1950er Jahre verlangten die Erben von Robert Mainzer das Gebäude nicht zurück. Ihre Ansprüche, auch die der Nutzung zwischen 1942 und 1957 wurden in einer ganzen Reihe von Wiedergutmachungsverfahren geklärt. Im Landesarchiv Ludwigsburg können die Verfahrensakten eingesehen werden. Nach den Verfahren war die Bundesrepublik rechtlich einwandfrei im Besitz des Gebäudes und hat es an Privat verkauft. An der Rechtmäßigkeit des Besitzes der aktuellen Eigentümer, die ich nicht kenne, besteht nicht die Spur eines Zweifels.

Obwohl es in den Verfahren auch um die Nutzung zwischen 1942 und 1945 ging, gibt es in den Hunderten von Seiten, die ich durchgesehen habe, keinen Hinweis darauf, wie Himmler das Gebäude genutzt hat. 

Quelle:
[1] Die Wiedergutmachungsakten der Mainzer-Erben im Staatsarchiv Ludwigsburg umfassen zahlreiche Aktenbüschel. Nur in einem der Büschel, EL 402/25 Bü 587, befinden sich Hinweise auf die Nutzung der Gebäude zwischen 1942 und 1945 und die sind nicht sehr inhaltsreich.
Dort findet man: „The Gestapo confiscated this property on 21-Aug-1942“.
Im Grundstückblatt des Finanzministerium vom 4. Juni 1946 ist angegeben, dass „Eigentümer Deutsches Reich vertreten durch Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler“.
[2] Militärgerichtsurteil Ewald Huth. Im Besitz der Familie Huth