Montag, 10. Januar 2022

Denunzianten von Ewald Huth

Ewald Huth.
Foto: Familie Huth
Ewald Huth wurde am 26. Mai 1944 zum Tode verurteilt, wegen Zersetzung der Wehrkraft
Verraten wurde er von zwei Denunzianten: der Nachbarin Pauline F. in Villingen und dem Fahnenjunker-Feldwebel Helmuth Köhntopp.
Grundlage dafür war die Verordnung über das "Sonderstrafrecht im Kriege und bei besonderem Einsatz", die Kriegssonderstrafrechtsverordnung" (KSStVO). Die Verordnung ergänzte und verschärfte das Militärstrafgesetzbuch. Sie wurde vorausschauenderweise bereits im Sommer 1938 erlassen.

Die "Anklageverfügung und der Haftbefehl" vom 17. März 1944 des SS- und Polizeigerichts XI bezogen sich auf den § 5 zur "Zersetzung der Wehrkraft" [1] in dieser Verordnung.
Huth war zuvor als Rottwachtmeister zum Gendarmeriekreisposten Villingen eingezogen worden. Im 1. Weltkrieg war er wegen seiner schlechten Augen nicht kriegstauglich, jetzt mit über 50 Jahren waren die Augen kein Hindernis mehr.
Er wurde nur deshalb eingezogen, damit er dem SS- und Polizeigericht von Himmler unterstand.

Die Denunzianten

Die Anklage stütze sich auf die Aussagen der beiden Denunzianten. 

Nach Pauline F. soll Ewald Huth Anfang August 1943 gesagt haben:

"Ich bin froh, dass ich keine Buben habe, denn diese müsste ich, wenn sie sich nationalsozialistisch betätigen würden, totschlagen. Ich könnte dies mit meiner inneren Einstellung unter keinen Umständen dulden. Ich bin froh, dass ich wenigstens noch eine große Tochter habe, die in jeder Lage zu mir hilft." [2]

 Ferner:

"Was unsere Regierung bringt, ist lauter `Großmaulerei´, das nicht geglaubt werden darf. Es ist richtig, dass man einem heute den Mund so zustopft, man darf keine Meinung mehr äußern. Alles ist Zwang und man ist kein freier Mann mehr"

Fahnenjunker-Feldwebel Helmuth Kö, ein unerwünschter Verehrer seiner Tochter, zitierte aus einem Gespräch mit Huth vom 5. August 1943

"Fast möchte ich Ihren Optimismus bewundern, aber die Jugend schwärmt ja immer und lässt sich nicht sagen, bis es dann schließlich zu spät ist. Ich will nicht sagen, daß Sie zu dumm sind, doch fehlt die nötige Reife, um die Wahrheit zu erkennen. Oder glauben Sie etwa, dass von dem, was uns unser Maulheld Goebbels  vor bläst, auch nur ein Wort war ist? Wie verkündet man doch aller Welt? Für jede Bombe, die auf deutsch ...

"Doch ich will Ihnen das Herz nicht schwer machen, wo Sie jetzt zur Front gehen. Sie müssen eben immer noch Ihre Pflicht tun, letzten Endes ist das Zurückführen der Truppen doch auch eine wichtige Aufgabe, die gelöst werden muss."

Schließlich:

"Unsere Propagandawalze hat Sie offenbar schon soweit überfahren, dass Sie an das Märchen von den bösen Bolschewisten glauben?"

Einziehung zur Polizei zur Vorbereitung des Todesurteils

Die Anzeigen von Helmuth Kö und Frau Pauline F. erfolgten Anfang August 1943. Am 13. September 1943 wurde Huth als Gendarm zur Polizei eingezogen. Damit unterstand Huth dem SS- und Polizeigericht XI. Das war vermutlich der Grund dafür, ihn jetzt einzuziehen. Es gibt zumindest keinen anderen plausiblen Grund dafür, . 

Auch vor einem bürgerlichen Gericht oder einem Sondergericht war beim Vorwurf der Wehrkraftzersetzung mit scharfer Strafe zu rechnen, aber nicht mit einem Todesurteil. 

Ob den Denunzianten klar war, was Ihre Anzeigen bedeuten, ist nicht bekannt. 

Öffentliche Wehrkraftzersetzung 

Bei der Wehrkraftzersetzung geht es, siehe [1], immer um "öffentliche" Äußerungen. Davon kann man bei den Vieraugengesprächen eigentlich nicht sprechen. Kein Problem für das SS- und Polizeigericht in der Urteilsbegründung:

„Eine Äußerung [ist] auch dann schon öffentlich gefallen […], wenn der Täter damit rechnen muss, dass seine Äußerung durch den Gesprächspartner weiter erzählen wird.“

Quellen: 

Abschriften der "Anklageverfügung und Haftbefehl" vom 17. März 1944 des SS- und Polizeigerichts XI. und des Feldurteils vom 26. Mai 1944. 

St. L. I 127/44 Im Besitz der Familie Huth

Dank: 

Ich bedanke mich bei der Familie Huth für die Möglichkeit, ihre umfangreichen Rechercheergebnis einzusehen.

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Anmerkungen:

[1] § 5 Zersetzung der Wehrkraft

(1) Wegen Zersetzung der Wehrkraft wird mit dem Tode bestraft:
1. wer öffentlich dazu auffordert oder anreizt, die Erfüllung der Dienstpflicht in der deutschen oder einer verbündeten Wehrmacht zu verweigern, oder sonst öffentlich den Willen des deutschen oder verbündeten Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu lähmen oder zu zersetzen sucht;
2. wer es unternimmt, einen Soldaten oder Wehrpflichtigen des Beurlaubtenstandes zum Ungehorsam, zur Widersetzung oder Tätlichkeit gegen einen Vorgesetzten oder zur Fahnenflucht oder unerlaubten Entfernung zu verleiten oder sonst die Manneszucht in der deutschen oder einer verbündeten Wehrmacht zu untergraben;
3. wer es unternimmt, sich oder einen anderen durch Selbstverstümmelung, durch ein auf Täuschung berechnetes Mittel oder auf andere Weise der Erfüllung des Wehrdienstes ganz, teilweise oder zeitweise zu entziehen.
(2) In minder schweren Fällen kann auf Zuchthaus oder Gefängnis erkannt werden.

(3) Neben der Todes- und der Zuchthausstrafe ist die Einziehung des Vermögens zulässig.

[2] Alle Zitate aus den Gerichtsakten. Urteilsbegründung S. 2 bis 4

[3] Urteilsbegründung  S. 8

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