Freitag, 26. November 2021

Regenrückhaltebecken

Das Gewässer neben dem Dornhaldenfriedhof (neuerdings heißt es Waldsee) wird vom Friedhofsamt gerne als Regenrückhaltebecken bezeichnet. Tatsächlich ist der Teich seit 1982 als Biotop und seit 2003 als Naturdenkmal geschützt.

Wie wurde der Teich zum Regenrückhaltebecken?

Schild am Teich aus den 1980er Jahre
Dahinter steckt eine kuriose Geschichte. Entstanden ist das "Wasserloch", wie es anfangs hieß, bei der Umwandlung des Schießplatzes in einen Friedhof eher unabsichtlich. Details sind dazu nicht bekannt. Über die damaligen umfangreichen Abtrage- und Aufschüttungsmaßnahmen gibt es keine Unterlagen im Stadtarchiv und auch das Planungsamt (Auskunft vom 06.06.2018) besitzt nichts. 

In den 1970er Jahren lag das Wasserloch unbeachtet auf dem Friedhofsgelände, auch nach Eröffnung des ersten Teils des Friedhofs 1974. Die Wasserprobleme wurden bei den nun laufenden Beerdigungen nun aber unübersehbar. Ein Friedhofsgärtner berichtet aus dem Anfang der 1980er Jahre.

Bei der Beerdigung wurde Wasser aus dem Grab gepumpt, bis der Pfarrer in Sicht kam. Zudem hatte man Tannenzweige ins Grad gelegt, damit es beim Aufsetzen des Sargs nicht platscht. 

Samstag, 6. November 2021

Ewald Huth

 Besuch einer Enkeltochter von Ewald Huth in Stuttgart

Ewald Huth wurde nach Denunziationen wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und am 1.11.1944 auf dem Maschinengewehrstand des Schießplatzes auf der Dornhalde erschossen.

Am 28.10.2021 hat jemand aus der Familie Huth die Stelle auf dem heutigen Dornhaldenfriedhof besucht, an der Ewald Huth damals erschossen wurde.

Ewald Huths Enkeltochter Ulrike Kroneisen aus Villingen ist dazu nach Stuttgart gekommen. Die Fotos zeigen den Bereich auf dem Dornhaldenfriedhof, wo bis etwa 1971 der Maschinengewehrschießstand war. Seine genaue Lage, kann man den alten Schießplatzplänen entnehmen. Heute sind keine Spuren mehr davon erkennbar. Auf einem Teil wurde sogar die Lagerfläche des Friedhofs angelegt. Der Stein im Bild hat mit der Schießplatz-Geschichte nichts zu tun. Er liegt dort aus landschaftsplanerischen Gründen, vielleicht auch um Abkürzungen über die Wiese bei der Einfahrt auf die Lagerfläche zu verhindern.

Montag, 1. November 2021

Ewald Huth

Ewald Huth
Über Ewald Huth gibt es viele biographische Informationen. Das verdanken wir vor allem seiner Ehefrau, Maria Huth, und seinem Schwiegersohn August Kroneisen. Maria Huth hatte ein mehr als 12 DIN A-Seiten umfassendes Gedächtnisprotokoll erstellt. Hier teilte Sie den Angehörigen mit, „was sich in der Zeit zwischen Verhaftung, Hinrichtung und Beisetzung ereignet hat“(1). Allerdings ist nicht bekannt, wann sie das Protokoll erstellt hat. Außerdem hat sie die Briefe ihres Manns aus dem Gefängnis, Briefen von Mitgefangen und Berichte von Zeugen aufbewahrt. Die Familie sorgte für die juristische Rehabilitierung von Ewald Huth. 1947 hob das Landgericht Konstanz das Urteil gegen Huth auf. (2) Die Familie organisierte auch die Umbettung des Leichnams von Stuttgart nach Villingen. August Kroneisen hat aus den zahlreichen Unterlagen, darunter auch einer Kopie des Todesurteils, zusammen mit dem Historiker Hermann Colli einen umfangreichen Artikel (3) über Ewald Huth verfasst. Dort wird aus dem Gedächtnisprotokoll, dem Urteil und anderen Unterlagen zitiert, die uns dadurch heute in Ausschnitten zugänglich sind. 

Ewald Huth wurde am 11. Januar 1890 in Hersfeld geboren. Im Ersten Weltkrieg war Ewald Huth wegen eines Sehfehlers untauglich, er meldete sich aber freiwillig für den Sanitätsdienst beim DRK. 1921 wurde er als Chordirektor und Organist am Villinger Münster angestellt. Aus seiner Ablehnung des NS-Regimes machte er bereits 1933 kein Hehl, 1944 wurde er schließlich von Nachbarn denunziert. Die Anklage auf Wehrkraftzersetzung hätte ihm vor einem bürgerlichen Gericht eine Gefängnisstrafe eingetragen. Allerdings war er 1943 im Alter von 53 Jahren zur Polizei eingezogen worden und unterstand damit dem SS- und Polizeigericht in Stuttgart. Das Urteil selbst ist nicht erhalten, auch nicht im Militärarchiv Freiburg. Wir haben aber die Passagen aus dem Urteil, die Kroneisen in seinem Artikel zitiert: Ewald Huth habe „über Jahre hinweg in der Öffentlichkeit den Willen des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung gelähmt und zersetzt und weiter: Der Angeklagte ist in geradezu verbrecherischer Weise kirchenhörig, kurz eine schwarze Wühlmaus“. (4)

Bei seinen Mitgefangenen stand „Papa Huth“, wie er genannt wurde, in hohen Ansehen, wie ein Brief an Maria Huth zeigt: 

„Papa Huth wird mir und allen, die jene schreckliche Zeit überlebt haben, unvergesslich sein. Wir hatten alle wirklich etwas auf dem Kerbholz, so dass man jedem von uns sagen musste, irgendwie hast du das verdient. Papa Huth hatte jedoch nichts angestellt, nur seine Meinung gesagt. Als wir ihn beten sahen, da haben wir zuerst spöttisch gelächelt. Mehr und mehr ging uns jedoch auf, dass für ihn Gott wie eine Wirklichkeit war. Uns hat er dabei nie übersehen, hat uns stets Mut gemacht und zugeredet … Das letzte Stück Brot hat er weggegeben, wenn einer von uns jüngeren Hunger hatte. Er war uns wie eine Sonne in jenen dunklen Tagen. Nie habe ich einen solch überzeugten Christen kennengelernt wie ihn.“(5)

In einem Abschiedsbrief an die Familie vor der Hinrichtung bestätigt er dieses Urteil.

„L[eonberg], 31. X. 1944 Meine Teuren! Und noch eine Bitte: Betet für unsere Feinde und tragt nicht Groll im Herzen. Der liebe Gott mag ihnen allen gnädig sein, so wie er mir selbst gnädig sein mag, das ist mein Wunsch und Gebet für sie schon immer gewesen und auch heute im Angesicht des Todes, den sie mir geben. Gott befohlen Euer treuer Vater“ (6)

Am 26. Mai 1944 war Ewald Huth vom SS- und Polizeigericht XI in Stuttgart zum Tod verurteilt worden, das Urteil wurde in der Wannenstraße 16 gesprochen. Am 1. November 1944 um 7.10 Uhr wurde er im Maschinengewehrstand auf der Dornhalde hingerichtet.(7) Beigesetzt wurde er auf dem Steinhalden-Friedhof in Stuttgart. Die Familie beantragte sofort nach Kriegsende die Umbettung nach Villingen. Über den abenteuerlichen Ablauf der Überführung des Leichnams nach Villingen haben wir nur den Bericht von August Kroneisen (8) als Quelle. Im Friedhofsamt Stuttgart gibt es zwar eine Mappe zu Ewald Huth, allerdings ohne Inhalt. Als endlich die Genehmigung zur Überführung nach Villingen vorlag, reiste Kroneisen am 17. Juli 1946 mit einem Villingen Bestatter nach Stuttgart. Dort stellte sich heraus, dass die Leiche von Ewald Huth mit der eines belgischen Barons Jacques Donny verwechselt worden war. So war Huths Leichnam 1945 nach Brüssel überführt und dort in einem Mausoleum beigesetzt worden. Die Rückführung war kompliziert, wie Kroneisen berichtet:

Bis zur Auswechslung der beiden Leichen – die Witwe des Barons durfte von dem Irrtum nichts erfahren – wurden 64 Schriftstücke mit den verschiedensten Stellen in Deutschland und Belgien hin und her gewechselt. Erst am 6. August 1949 wurde durch einen belgischen Militärkonvoi die Leiche Ewald Huths kostenlos nach Villingen überführt und vom Verfasser nach Öffnung des Sarges anhand der Beigaben identifiziert.(9)

In seinem Grab ist seit 1986 auch seine Frau Maria beigesetzt. Die Stadt Villingen bewahrt Ewald Huth ein ehrendes Gedenken. 1972 wurde eine Straße nach ihm benannt, die Münsterpfarrei nannte einen Saal im Gemeindezentrum in „Ewald Huth-Saal“ um. (10)

Am Kaplaneihaus der Münsterpfarrei wurde 2001 eine Gedenktafel angebracht. Sein Grab wird von der Gemeinde als Ehrengrab gepflegt.(11)

Grab Ewald Huth
Außerdem wurde er 2005 in die Neue Folge der Badischen Biographien aufgenommen.

Quellen:
Colli. Kroneisen [2003] August Kroneisen, Hermann Colli: Ewald Huth: Mutiger Mann und aufrechter Christ. Villinger Widerstandskämpfer. Von den Nazis hingerichtet. In: Geschichts- und Heimatverein Villingen e.V. 26 (2003), S. 65-71. www.ghv-archiv.de 

Uwe Schellinger: Huth, Ewald (1890-1944), in: Badische Biographien NF Band 5. Stuttgart 2005, S. 129–131


(1) Colli. Kroneisen [2003], S. 70

(2) A. a. O., S. 70

(3) Colli. Kroneisen [2003]

(4) Colli. Kroneisen [2003], S. 68

(5) Brief eines Zellengenossen von Ewald Huth, zitiert nach Colli. Kroneisen [2003], S. 68

(6) Zitiert nach Colli. Kroneisen [2003], S. 69

(7) Colli. Kroneisen [2003], S. 69 und Sterbeurkunde im StAS

(8) Colli. Kroneisen [2003], S. 69

(9) A. a. O., S. 69

(10) A. a. O., S. 70

(11) Auskunft Friedhofsamt Villingen-Schwenningen

Montag, 25. Januar 2021

Gustav Stange

Beim Gedenken an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 2021 liegt dieses Jahr der "Fokus auf die Zeugen Jehovasdie verfolgt wurden aufgrund ihres Glaubens, ihres Gewissens und der daraus folgenden Weigerung, das NS-Regime zu unterstützen". Gedenken dieses Jahr nicht im Landtag, sondern virtuell. 

Gustav Stange wurde am 24. Oktober 1903 in Oppenweiler im Kreis Backnang geboren. Er wohnte in Stuttgart-Stammheim als er zum Ersatz-Bataillon 5 der Landes-Schützen als Wehrpflichtiger eingezogen wurde. Als Zeuge Jehovas weigerte er sich, dem Stellungsbefehl nachzukommen. Am 20. Januar 1942 wurde er wegen Wehrkraftzersetzung vom Gericht der Division z. b. V. 405 zum Tod verurteilt und am 20. Februar 1942 um 8:41 Uhr auf dem MG-Schießstand Dornhalde hingerichtet. Der Initiator der Stolperstein-Initiative, Gunter Demnig, hat 2007 in der Münchingerstraße 5 in Stammheim eine Gedenkplakette verlegt.


Sterbeurkunde:






Gustav Stange arbeitete in der Schuhreparaturwerkstätte von Rudolf Schlegel in der Böblinger Str. 103, wohnte aber in Stuttgart-Stammheim. Ein ehemaliger Nachbar erzählte damals: „Mein Vater hat noch versucht, ihn zu retten, [...]. Sie müssen doch nicht schießen, hat er gesagt. Aber Stange war innerlich so überzeugt von seinem Glauben, dass er die Folgen in Kauf nehmen wollte.“ Quelle

1933 lebten in Deutschland zwischen 20 000 und 30 000 „Bibelforscher“, wie sich die Zeugen Jehovas damals nannten. Etwa 1 200 von ihnen wurden in der NS-Zeit hingerichtet, 250 davon wegen Wehrdienstverweigerung durch Militärgerichte. (Vgl. Garbe, S. 500)

Der Fall von Gustav Stange ist mindestens seit 1989 öffentlich bekannt. 

1989 wird Gustav Stange von Detlef Garbe in seiner Dissertation erwähnt, ebenso in der Ausstellung "Stuttgart im zweiten Weltkrieg", die vom 01.09.1989 bis 22.07.1990 im Tagblatt-Turm in Stuttgart stattfand. Im Katalog zur Ausstellung gibt es einen Artikel von Egon Zweigart, der das Schicksal von Gustav Stange darstellt. 

Bei beiden Fällen spielt der Pfarrer in der Markus-Gemeinde in Stuttgart, Rudolf Dauer, eine wichtige Rolle als Quelle.

Quelle:

Sterberegister Stuttgart, 1942 Nr. 14.

www.stolpersteine-stuttgart.de (25.1.2021)

go-stuttgart.org Kurzbiographie mit Bild (25.1.2021)

Detlef Garbe: Zwischen Widerstand und Martyrium: Die Zeugen Jehovas im "Dritten Reich". 4. Auflage. Oldenburg 1999

Marlene P. Hiller (Hrsg.): Katalog zur Ausstellung „Stuttgart im Zweiten Weltkrieg“. Gerlingen 1989

Darin: Egon Zweigart: „Oder soll ich gar den Weg gehen, den Judas gegangen ist?“. Die Ernsten Bibelforscher im NS-Staat, S. 255-258


Montag, 28. September 2020

Der Musterfriedhof: Die Abteilungen (1)

Der Dornhaldenfriedhof wurde Anfang der 1970er Jahre als Leuchtturm-Projekt geplant. Es sollte ein Friedhof sein, mit dem die Stadt auf vielen Ebenen neue Standards setzen wollte. Das Konzept von 1970 umfasst sechs Punkte

Hier zu Punkt 3: Aufteilung in unterschiedlich gestaltete Abteilungen

Man sprach von "Abteilungen", nicht von Feldern, der neue Friedhof sollte keine Assoziationen mit einem Acker wecken. Die Idee der Aufteilung in unterschiedlich gestaltet Bereiche war nicht neu. Am Spektakulärsten war das im Münchner Waldfriedhof umgesetzt worden. Als er 1907 offiziell eröffnet wurde, hatte er 243 Grabfelder.


Der Dornhaldenfriedhof hatte bei seiner Eröffnung 1974 etwa 100 Abteilungen. Für jede Abteilung gab es genaue Vorgaben für die Gestaltung der Grabmale und der zulässigen Pflanzen. 

Samstag, 19. September 2020

Was war im Schuppen?

.

Im Augenblick steht der Schuppen stärker im Fokus als die anderen Gebäude der Dornhalde, daher gibt es sehr fantasievolle Nutzungsideen. 

Zunächst zur BezeichnungIn den historischen Akten und Plänen wird er immer als "Geräteschuppen" oder "Schuppen der Schießplatzverwaltung" genannt, der Begriff "Remise" taucht nirgends auf. 

Benutzt wurde er zu Schießplatz-Zeiten weder als Pferdestall, noch als Unterstand für Fahrzeuge und schon gar nicht als Lager für Schießscheiben.

Sonntag, 13. September 2020

Maschinengewehr-Schießstand

Am 28.8.1918 wurde ein MG-Schießstand für die Dornhalde beschlossen. Auf Bahn VIII sollte möglichst schnell aus Holz ein Schießstand mit zwei Bahnen für das leichte MG 08/15 gebaut werden, 2,30 m breit und 4,75 lang, Baukosten 700 M. 
Auf der Schießbahn Mähderklinge im Feuerbacher Tal gab es schon ab 1916 zwei Maschinengewehr-Schießbahnen.
Plan MG-Stand vom 18.5.1934